Erste Eindrücke: Das Fujinon XF23mmF2 R WR im Test

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Der perfekte Kompromiss?

von Rico Pfirstinger

Nach dem erfolgreichen XF35mmF2 R WR bringt Fujifilm mit dem XF23mmF2 R WR eine zweite wetterfeste Festbrennweite mit mittlerer Lichtstärke auf den Markt.

Ihre Kegelform prädestiniert diese kompakten Objektive für die X-Pro2, die Mehrzahl der Benutzer dürfte sie jedoch an weniger exotischen Kameras wie der X-T10, X-T1, X-E2 und X-T2 verwenden.

Was Sie beim XF23mmF2 R WR erwartet – auch im Vergleich mit dem teureren XF23mmF1.4 R und der klassischen X100T –, verrät Ihnen unser kleiner Testbericht.

Kegel Reloaded: Das XF23mmF2 R WR (hier mit der mitgelieferten Kunststoff-Streulichtblende) macht an der X-Pro2 eine gute Figur. Wie schon das XF35mmF2 R WR wurde auch dieses Objektiv so entworfen, dass der Tubus nicht in den Bildrahmen des optischen Suchers hineinragt.

Überraschung! Das neue XF23mmF2 R WR ist eigentlich gar kein 23mm-Objektiv. Tatsächlich verfügt es über einen Bildwinkel, der über den des teureren XF23mmF1.4 R (und den des in der X100-Serie fest eingebauten 23mm-Objektivs) etwas hinausgeht. Die identischen Bildwinkel-Angaben in den offiziellen technischen Spezifikationen sind also irreführend, genügen laut Auskunft aus Tokio jedoch angeblich dem CIPA-Standard. Aha.

Weniger ist mehr: Dieser buchstäblich mit dem Rücken zur Wand gemachte Schnappschuss wäre mit dem kleineren Bildwinkel eines „normalen“ 23mm-Objektivs (etwa dem XF23mmF1.4 R) nicht möglich gewesen.

Die großzügige Spezifikation mag hierzulande für Stirnrunzeln sorgen, vielen Benutzern dürfte der größere Bildwinkel des neuen Objektivs jedoch entgegenkommen, schließlich eignet sich das XF23mmF2 F WR aufgrund seiner geringen Größe, der wetterfesten Ausführung und des blitzschnellen Autofokus (bis zu 0,05s) besonders gut für Reportage und Street-Fotografie – also Genres, bei denen es gerne etwas mehr Weitwinkel sein darf. Das Objektiv bietet sich außerdem für die Reise- und Landschaftsfotografie an, sodass wir es auch bei unserem im November und Dezember 2017 stattfindenden Fuji X Secrets Ultimate Workshop in Neuseeland einsetzen werden.

Zwei vom gleichen Schlag: Nach dem überraschenden Erfolg des XF35mmF2 R WR hofft Fujifilm mit dem XF23mmF2 R WR auf einen weiteren Bestseller. Beide Objektive punkten mit tadelloser Verarbeitung und einem hervorragend gedämpften Blendenring.  

Größerer Leuchtrahmen und erweiterte Parallaxenkorrektur

Obwohl das größere Bildfeld in den technischen Angaben für das XF23mmF2 R WR nicht auftaucht, spiegelt es sich im optischen Sucher (OVF) der X-Pro2 wider, und zwar in Form eines gegenüber dem XF23mmF1.4 R vergrößerten digitalen Leuchtrahmens. Im OVF gibt es als weitere Neuerung eine verbesserte Parallaxenkorrektur, die im Gegensatz zum bisher üblichen Mindestabstand von ca. 50 cm jetzt den tatsächlichen Mindestmotivabstand des neuen Objektivs berücksichtigt – in diesem Fall sind das 22 cm. Man kann mit dem XF23mmF2 R WR nun also auch mit Hilfe des optischen Suchers nahe ans Motiv herangehen. Bleibt abzuwarten, ob Fujifilm dieses Feature im Rahmen des für Oktober geplanten Firmware-Updates für die X-Pro2 auch auf andere Objektive erweitert.

Nicht zappeln: Auch ohne eingebauten optischen Bildstabilisator (OIS) waren bei einem Volksfestrundgang pixelscharfe Aufnahmen mit Belichtungszeiten von 1/30s und länger kein Problem – zumindest an der X-T2 mit angesetztem Power-Booster-Griff.

Optische Verzeichnungskorrektur

Zu den Vorzügen des XF23mmF2 R WR zählt eine optische Verzeichnungskorrektur. Während das XF35mmF2 R WR seine (leider recht deutliche) Verzeichnung digital korrigiert – was zu einem Schärfeabfall an den Bildecken führt – gibt sich das XF23mmF2 R WR für ein Objektiv in seiner Preisklasse absolut vorbildlich. Zum Vergleich: Selbst das etwa doppelt so teure Zeiss Touit 1.8/32mm korrigiert Verzeichnung digital.

Scharfe Sache: Bereits die Vorserie des neuen XF23mmF2 R WR liefert bis in die Ecken scharfe Bilder, nicht zuletzt dank der optischen Verzeichnungskorrektur.

Weniger erfreulich ist die Vignettierung des neuen XF23mmF2 R WR, die auch im abgeblendeten Zustand unerwartet deutlich ausfällt. Selbstverständlich wird dieser Lichtverlust mithilfe der in den RAW-Dateien gespeicherten Metadaten (bei Verwendung eines geeigneten Konverters) automatisch kompensiert. Dabei handelt es sich jedoch nur um digitales Make-up, denn der mit der Randabschattung einhergehende Dynamikverlust wird dadurch ja erst richtig sichtbar. Also nicht wundern, wenn bei sehr hohen ISO-Werten oder starken Push-Operationen das Bildrauschen an den Rändern erkennbar höher ausfällt als in der Bildmitte.

Keine Wundertüte: Bei Motiven mit unvorteilhaftem Hintergrund kann auch das XF23mmF2 R WR kein Bokehwunder bewirken. Es liegt vielmehr am Fotografen, einen passenden Hintergrund zu wählen.

Bokehvergleich

Beim Bokeh zeigt das XF23mmF2 R WR ein gemischtes Bild: Bis ca. Blende 2.8 bleibt es hinter seinem großen Bruder XF23mmF1.4 R zurück. Weiter abgeblendet nivellieren sich die Unterschiede, und zumindest die Freunde kreisrunder Unschärfescheiben könnten beim XF23mmF2 R WR aufgrund seiner neun abgerundeten Blendenlamellen vielleicht sogar einen kleinen Vorteil gegenüber dem großen Bruder ausmachen, der mit sieben Lamellen auskommen muss.

Weichspüler: Im direkten Bokeh-Vergleich zieht das XF23mmF2 R WR gegenüber dem XF23mmF1.4 R den Kürzeren. Einerseits fehlt dem Newcomer die wichtige Blende 1.4, aber auch bei Blende 2 und 2.8 liefert das XF23mmF1.4 R Bilder mit einem ruhigeren und weicheren Hintergrund – ohne negative Auswirkungen auf den Kontrast. Klicken Sie auf das Bild, um zum 25 Aufnahmen umfassenden Bokehvergleich zwischen X100T, XF23mmF1.4 R und XF23mmF2 R WR zu gelangen.

Das schmelzige Bokeh des fest eingebauten 23mm-Objektivs in der X100-Serie bleibt eine Klasse für sich, was bei der X100/S/T in Gegenlichtsituationen freilich mit einem deutlichen Kontrastabfall (und einem Weichzeichner-Effekt bei Offenblende im Nahbereich) erkauft wird. In unserer Bokeh-Vergleichsreihe aus X100T, XF23mmF1.4 R und XF23mmF2 R WR gibt es die mit der X100T gemachten Aufnahmen deshalb zweimal: einmal „normal“ und einmal mit dem Versuch, Kontrast und Mikrokontrast (Klarheit) in Lightroom an den Look der beiden 23mm-Wechselobjektive anzugleichen. Grundsätzlich ist das Thema Bokeh jedoch ein heißes Pflaster, weil es sich oft um eine reine Geschmackssache handelt.

Allrounder: Das XF23mmF2 R WR ist ein typischer Vertreter für Fujifilms neue Linie aus kompakten Festbrennweiten mit sehr guter Bildqualität zu realistischen Preisen. Hier geht es nicht darum, viel für das Machbare zu bezahlen, sondern viel für das Bezahlbare zu machen. Das XF23mmF2 R WR verkörpert die Suche nach dem besten Kompromiss aus Preis, Größe, Verarbeitung, Performance und Bildqualität. Allerdings sollte man dabei nicht vergessen, dass Kompromisse (auch perfekte) tendenziell eher langweilig sind. Anders gesagt: Das XF23mmF2 R WR ist ungefähr so spannend wie ein VW Golf.

Kleiner Scharfmacher

Das neue XF23mmF2 R WR ist flott, handlich, bezahlbar und wetterfest – aber ist es auch richtig scharf? Da es sich beim hier getesteten Exemplar um ein Vorserienmodell mit nicht-finaler Bildqualität handelt, dessen Bauweise zudem nicht vollständig der Serienspezifikation entspricht, sind eindeutige Aussagen darüber bislang nicht zu treffen. Soviel steht allerdings fest: Abgeblendet kann das XF23mmF2 R WR mit seinem außerordentlich scharf und detailreich zeichnenden großen Bruder bereits in der Vorserie gut mithalten. Ob ähnliche Spitzenleistungen auch bei Offenblende 2 möglich sind, werden wir in einigen Wochen erfahren, wenn das Objektiv offiziell in die Geschäfte kommt.

3 x 23mm: In einem auf 16 Megapixel normalisierten Auflösungsvergleich zeigen sich bei Blende 8 kaum Unterschiede zwischen dem XF23mmF2 R WR und dem XF23mmF1.4 R. Aber auch das 23mm-Objektiv in der X100T kann gut mithalten. Gut zu sehen ist hier auch der im Vergleich zu den Geschwistern größere Bildwinkel des XF23mmF2 R WR. Klicken Sie auf das Bild, um sich die drei Vergleichsaufnahmen anzusehen.

damien-lovegrove-portraits-ad-squareÜbrigens: Die kleine mitgelieferte Kunststoff-Streulichtblende passt perfekt aufs dafür vorgesehene Bajonett und macht eine deutlich bessere Figur als die abenteuerliche Konstruktion, die man beim XF35mmF2 R WR ins Filtergewinde einschrauben muss. Eine durchbrochene Metall-Streulichtblende ist für das XF23mmF2 R WR optional erhältlich – tatsächlich handelt es sich um dieselbe Konstruktion wie für das XF35mmF2 R WR, sodass man die nicht ganz billige Metallblende auch mit beiden Objektiven abwechselnd verwenden kann.

Fazit

Wem das XF35mmF2 R WR gefällt, der dürfte auch das neue XF23mmF2 R WR zu schätzen wissen – zumal es als Bonus die optische Verzeichnungskorrektur und eine bessere Kunststoffstreulichtblende ins Feld führt. Für maximale Bildqualität und ein zumindest subjektiv gefälligeres Bokeh ist das teurere, größere und nicht wettergeschützte XF23mmF1.4 R jedoch die bessere Wahl.

Als drittes Objektiv in dieser Reihe will Fujifilm im Frühjahr 2017 ein XF50mmF2 R WR auf den Markt bringen, das den beiden Geschwistern in Gestalt und Funktion weitgehend entsprechen soll. Für X-Fotografen, die auf kompakte und bezahlbare Festbrennweiten setzen, brechen somit gute Zeiten an, zumal das für Ende 2017 geplante XF80mmF2.8-Makroobjektiv ebenfalls kompakt ausfallen soll: noch ein perfekter Kompromiss. Wer für seine auf Leistung getrimmte X-T2 allerdings nach kompromisslos-aufregenden Top-Objektiven wie einem XF33mmF1 oder einem XF200mmF2 Ausschau hält, darf sich auch weiterhin gedulden.

Hier klicken für weitere Beispielbilder zum XF23mmF2 R WR

Fujifilm „X-PERT“ Rico Pfirstinger ist der Autor von Das Fujifilm X-Pro1 Handbuch, Die Fujifilm X-E2 – 100 Profitipps, Die Fujifilm X-T1 – 111 Profitipps, Die Fujifilm X-T10 – 115 Profitipps und Die Fujifilm X-Pro2 – 115 Profitipps. Er veranstaltet Fuji X Secrets Workshops und unterhält das englischsprachige Blog X-PERT CORNER.

4 Kommentare zu „Erste Eindrücke: Das Fujinon XF23mmF2 R WR im Test

    Paul Jacob sagte:
    17. September 2016 um 19:45

    Danke für dieses Beitrag! Ich werde nach dem Photokina-Besuch meine Entscheidung treffen.
    Grüße!

    Brett Patching sagte:
    18. September 2016 um 23:36

    I just had to write to thank you for this refreshingly honest review Rico. No product is perfect. I purchased my first Fujifilm camera this year, and it’s been a bit hard to find critical reviews of the Fuji X system from experts in the system. Many thanks.

    Paisle sagte:
    19. September 2016 um 00:19

    I had occasion to test 35mm f/2.0 and it is very fast compared to 35 1.4. Fuji 1.4 lenses are old and slow as a slim… 1.4 are very good for portraits and stills. 2.0 versions are „new“ constructions with very fast AF and in my opinion they are perfectly balanced for digital photography (very light but build with metal). If you want creamy bokey go for 85 / 90 mm not 23… 23 (aka 35mm) is great for streets / go for a walk.

    Berthold sagte:
    19. September 2016 um 01:47

    Danke. Klingt nach genau dem Objektiv, das ich zur X-Pro suche: ein unaufdringliches Reportage-Objektiv. Guter und gut lesbarer Test. Ich hoffe, Fuji bleit bei den Spezifikationen…

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