Eines für alles: das GF35-70mmF4.5-5.6 WR Kit-Zoom für die Fujifilm GFX

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Handlicher Alleskönner – das neue GF35-70mmF4.5-5.6 WR ist ein preiswertes Multitalent

Mit dem zusammenschiebbaren GF35-70mmF4.5-5.6 WR für die GFX stellt Fujifilm eines  der kleinsten, leichtesten, preiswertesten und zugleich attraktivsten Mittelformat-Objektive vor. Dieses handliche Kit-Zoom für gerade einmal 500 EUR Aufpreis werden viele unterschätzen. Freunden der neuen GFX50S II dürfte es jedoch gefallen.

von Rico Pfirstinger

Das GF35-70mmF4.5-5.6 WR im Praxistest

Das GF35-70mmF4.5-5.6 WR für das G-Bajonett der GFX ist eine angenehme Überraschung: Es wiegt mit gut 400 Gramm (inkl. Streulichtblende) nicht einmal halb so viel wie das bisherige „Standard-Zoom“ GF32-64mmF4 R WR. Zusammengeklappt ist es kleiner als das GF63mmF2.8 R WR. Trotz seiner geringen Größe und des reduzierten Gewichts macht das „Kit-Zoom“ jedoch einen sehr ordentlichen Job. Die bei solchen Objektiven oft gefürchtete Bildfeldwölbung fällt bei allen Brennweiten kaum ins Gewicht und ist an den seitlichen Bildrändern eher nach hinten (also Richtung unendlich) gerichtet als nach vorne zur Kamera hin. Damit verhält sich das GF35-70mm konträr zum GF32-64mm, bei dem gerade Landschafts- und Architekturfotografen auf Randunschärfen bei weiter entfernten Motivteilen achten müssen.

Das neue GF35-70mmF4.5-5.6 WR ist eine runde Sache.

Auch bei 100 MP scharf

Die Schärfe des Objektivs ist bis zu den Rändern hin sehr ordentlich – sogar mit 100 Megapixeln. Abhängig von der eingestellten Brennweite sind lediglich die Ecken als eventuelle Schwachpunkte auszumachen. Das ansonsten hervorragende Schärfe-Erlebnis wird nahe der minimalen Fokussierdistanz (MFD) bei Offenblende durch einen leichten Softening-Effekt getrübt, der freilich durchaus seinen eigenen Reiz entfalten kann. APS-C-Fotografen kennen Ähnliches von Objektiven wie dem XF35mmF1.4. Auf der anderen Seite ist die MFD sehr großzügig bemessen – man kommt mit dem Objektiv also ziemlich nahe ran. Im Zweifelsfall sollte man abblenden.

A

B

C

Sollten Sie nach den obigen Ausführungen den irrigen Eindruck gewonnen haben, dass es dem GF35-70mmF4.5-5.6 WR grundsätzlich an Schärfe mangelt, dann illustriert dieses Beispiel das Gegenteil. Bei diesem mit einer GFX100S aufgenommenem Porträt (A) musste ich sowohl im eingebauten RAW-Konverter der Kamera (B) als auch in der mit Adobe Super Resolution auf sagenhafte 400 MP hochskalierten Lightroom-Version (C) die Standardschärfung und Klarheit zurücknehmen.

Bokeh, Verzeichnung, Vignettierung, Beugung

Das von neun Blendenlamellen geformte Bokeh hinterlässt einen angenehmen Eindruck. Dafür sind die Blendensterne bestenfalls durchschnittlich. Die optische Verzeichnung hält sich in erfreulich engen Grenzen und wird von kompatiblen RAW-Konvertern über in der RAW-Datei gespeicherte Metadaten elektronisch korrigiert. Im Weitwinkelbereich ist die Verzeichnung zwischen 35 mm und 60 mm Brennweite tonnenförmig abnehmend. Der optisch korrigierte Sweet-Spot der Verzeichnung liegt demnach bei etwa 60 mm. Bei 70 mm ist die optische Verzeichnung dann leicht kissenförmig.

Blendensterne und Beugung bei Blende 32

Die Offenblenden-Vignettierung ist bei allen Brennweiten ausgeprägt, man verliert durch ihre digitale Korrektur folglich etwas Dynamikumfang und bekommt beim Hochziehen von Schattentönen mehr Bildrauschen in den Ecken. In der Praxis fällt das freilich nur in extremen Situationen auf, zumal man bei Architektur- oder Landschaftsaufnahmen ja in der Regel abblendet. In Kombination mit einer 100-MP-Kamera fällt die Beugung bei einer pixelscharfen Ansicht bis ca. Blende 8 praktisch nicht ins Gewicht. Benutzer einer GFX mit 50 Megapixeln können ohne Bedenken bis Blende 11 abblenden.

Das Objektiv erlaubt natürlich auch deutlich kleinere Öffnungen, nämlich bis Blende 32. Hier geht die gewonnene Schärfentiefe dann allerdings auf Kosten der Auflösung – die Physik lässt sich eben nicht überlisten. Oder vielleicht doch? Versuche mit Adobes neuem „Super Resolution“-Algorithmus in Lightroom und ACR legen nahe, dass ein AI-gestütztes Upscaling auf 400 bzw. 200 MP und ein sich daran anschließendes Downsampling zurück auf 100 bzw. 50 MP die Beugungseffekte deutlich reduziert. Gerade Landschaftsfotografen bietet sich so die Möglichkeit, auf ein für sie umständliches Focus Stacking zu verzichten. Dies gilt natürlich nicht nur für das GF35-70mmF4.5-5.6 WR, sondern für alle hochauflösenden Kameras und Objektive, bei denen Beugung eine Rolle spielt.

In Kombination mit einer der drei GFX50-Modelle (hier die neue GFX50S II) besteht durch deren besonders scharfe Mikrolinsen auf dem Sensor auch beim GF35-70mmF4.5-5.6 WR stets Moiré-Gefahr. Während der Bildprozessor Moiré bei den JPEGs aus der Kamera automatisch beseitigt, dürfen Benutzer externer RAW-Konverter (hier Adobe Lightroom) selbst zum Moiré-Werkzeug greifen.

Fokussierung

Das GF35-70mm ist meinem Eindruck nach weitgehend parfokal und eignet sich damit gut für Video-Zoom-Fahrten. Im Telebereich tritt ein wenig Focus Breathing auf, was beim Verstellen der Entfernung während einer laufenden Videoaufnahme negativ auffallen kann. Der Autofokus arbeitete bei meinen Testaufnahmen sowohl mit der GFX100S als auch der neuen GFX50S II stets so schnell, dass ich nicht an ihn denken musste.

Die Fokussiergeschwindigkeit ist auch für Momentaufnahmen mehr als ausreichend.

Weniger ist mehr: Blendenring, OIS und Konstruktion

Das GF35-70mmF4.5-5.6 WR besitzt keinen Blendenring. Das ist logisch, schließlich verfügt es als bisher einziges GF-Objektiv über keine durchgehende Offenblende. Es käme also nur ein unmarkierter Blendenring in Frage, der jedoch zusätzliches Gewicht und höhere Kosten verursachen würde. Gerade diese beiden Faktoren möchte man bei einem kompakten und kostengünstigen Kit-Zoom aber minimieren. Deshalb erfolgt das Einstellen der Blende beim GF35-70mmF4.5-5.6 WR über eines der Einstellräder der Kamera.

Auch auf einen eingebauten OIS wurde aus Platz-, Gewichts- und Kostengründen verzichtet. Eine optische Bildstabilisierung im Objektiv ist auch nicht notwendig, schließlich verfügen die GFX100, GFX100S und GFX50 II jeweils über einen IBIS, also eine eingebaute Bildstabilisierung für den Sensor. Für die Benutzer älterer GFX-Modelle ohne IBIS ist das freilich nur ein schwacher Trost.

Beim GF35-70mmF4.5-5.6 WR handelt es sich um ein Collapsible Zoom, das man für den Transport oder bei Nichtgebrauch mit einem schnellen Dreh zusammenschieben und verriegeln kann. In der Transportstellung ist das Zoom kleiner als ein GF63mmF2.8 R WR – und wiegt nebenbei auch weniger. Damit ist das neue Kit-Zoom ein idealer Reisebegleiter, den man zusammen mit einer GFX100S oder der neuen GFX50S II auch über einen längeren Zeitraum buchstäblich „ertragen“ kann. Mit dem GF35-70mmF4.5-5.6 WR und einer GFX50S II wird das digitale Mittelformat also nicht nur erschwinglicher, sondern für viele engagierte Hobbyfotografen auch praktisch zugänglicher.

Im eingeklappten Zustand ist das Kit-Zoom sehr kompakt und braucht nur wenig Platz.

Im der ausgefahrenen Arbeitsposition gibt es zwischen 35 mm und 70 mm kaum einen Größenunterschied.

Vielseitiges Multitalent

Das Kit-Objektiv deckt einen auf das Kleinbildformat umgerechneten Brennweitenbereich von ca. 28 bis 55 mm ab – also den bei Ausflügen gebräuchlichen Bereich zwischen Weitwinkel und Normalbrennweite. Umgerechnet auf das APS-C-Format entspricht dies einem Brennweitenbereich von ca. 18,5 bis 37 mm – und bei der Offenblenden-Bildwirkung (Freistellung) einem XF-Objektiv mit einer Öffnung von F2.4-2.9. Mit dem GF35-70mmF4.5-5.6 WR können GFX-Benutzer im äquivalenten Brennweitenbereich ihre Motive also besser freistellen als X-Serie-Fotografen mit einem XF18-55mmF2.8-4 R LM OIS.

Freistellung und Bokeh bei Blende 5.2 und 53 mm Brennweite

GFX100S oder GFX50S II?

In meinem Test machte das GF35-70mmF4.5-5.6 WR an der GFX100S eine für mich erstaunlich gute Figur. Meine ursprünglich niedrigen Erwartungen wurden deutlich übertroffen. Besonders beliebt dürfte das Objektiv in Verbindung mit der neuen GFX50S II werden: Kamera und Objektiv kosten als Kit „nur“ ca. 4500 EUR (UVP inkl. MwSt.) und machen den Einstieg ins digitale Mittelformat nicht nur preislich attraktiv, sondern auch in punkto Größe und Gewicht.

Die GFX50S II hat praktisch den gleichen ISOlosen Sensor wie die GFX 50S und GFX 50R – ihr Funktionsumfang entspricht dank des neueren Prozessors jedoch weitgehend dem einer um etwa die Hälfte teureren GFX100S. Lediglich bei den Videofunktionen, der Serienbildrate und (mangels Phasendetektions-AF) beim AF-C gibt es gegenüber der teureren Schwester spürbare Einschränkungen. Außerdem zeigt die GFX50S II aufgrund der längeren Sensor-Auslesezeit nach jeder Aufnahme eine im Sucher etwas längere Blackout-Phase. Bei den Anwendungen, für die solche Kameras typischerweise gedacht sind, spielt das allerdings kaum eine Rolle, sodass die GFX50S II eine beliebte „Einstiegsdroge“ ins GFX-System werden dürfte.

Bemerkenswert ist, dass sich die neue GFX50S II von der im Frühjahr erschienenen GFX100S äußerlich praktisch nicht unterscheidet. Lediglich ein unauffälliger grauer Schriftzusatz an der linken Gehäuseseite outet die GFX50S II als die 2000 EUR preiswertere Variante.

Eine Klasse für sich

Das GF35-70mmF4.5-5.6 WR ist (zumindest in den Ecken) nicht das schärfste Zoom-Objektiv für die Fujifilm GFX. Es bietet auch nicht die beste Freistellung, den größten Brennweitenumfang oder die eindrucksvollsten Blendensterne. Es ist zwar wetterfest, besitzt aber weder einen Blendenring noch einen eingebauten optischen Bildstabilisator (OIS). Geht man alleine nach den Spezifikationen, ist man versucht, dieses preiswerte Kit-Zoom unter „ferner liefen“ abzukanzeln.

Das allerdings wäre ein Fehler, denn die wahre Größe dieses Zwergs liegt in seiner Kompaktheit und der damit einhergehenden Vielseitigkeit. Mit seinem geringen Gewicht macht das GF35-70mmF4.5-5.6 WR Dinge möglich, für die man eine GFX bisher lieber zuhause ließ. Damit wird das GFX-System für engagierte Hobbyfotografinnen und -fotografen attraktiver, die ihre Kamera gerne „immer dabei“ haben – in der Stadt, auf Reisen oder bei Ausflügen. Auch für mich persönlich ist das GF35-70mmF4.5-5.6 WR deshalb ein Game-Changer. Der Gewichts- und Größenunterschied zum GF32-64mmF4 stellt dieses Kit-Zoom in eine Klasse für sich.

  • Hier geht’s zu einigen GF35-70mmF4.5-5.6 WR Beispielbildern.

Aktuelle Workshops

Nach fast einem Jahr Pause gibt es im September 2021 wieder zwei neue Online-Workshop für deutschsprachige Nutzer von Fujifilm X- und GFX-Kameras:

Fuji X Secrets Settings – der ultimative Einstellungsworkshop für Fujifilm X und GFX

Dieser Online-Workshop wird in deutscher Sprache über Zoom durchgeführt.
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Wer aus seinen Aufnahmen das Meiste herausholen möchte, fotografiert im RAW-Format und entwickelt die Dateien mit einem RAW-Konverter wie Lightroom oder Capture One. Doch das ist nur die halbe Miete, denn genauso wichtig wie die richtige RAW-Bearbeitung ist die optimale RAW-Belichtung – auch hier ragen Fujifilm-Kameras mit ihren ISOlosen Sensoren heraus und bieten besondere Möglichkeiten, die es auszunutzen gilt. Wie das geht, verrät unser RAW-Workshop für deutschsprachige Nutzer der Fujifilm X- und GFX-Serie:

Fuji X Secrets RAW – bessere Bilder mit Fujifilm X-Kameras und RAW

Dieser Online-Workshop wird in deutscher Sprache über Zoom durchgeführt.
Er findet am 11. September von 14:00 bis 18:30 Uhr MESZ statt.

Fuji X Secrets RAW ist voll und ganz auf Fujifilm-Benutzer zugeschnitten und stellt praxiserprobte Werkzeuge und Methoden für den kompletten fotografischen Workflow vor – von den besten Kameraeinstellungen über die ideale Belichtung bis zur optimalen Bildbearbeitung und Ausgabe.

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Ist Ihr gewünschter Workshop-Termin ausgebucht? Dann tragen Sie sich dort bitte unverbindlich in die Warteliste ein. Bei entsprechender Nachfrage lege ich neue Termine auf und informiere darüber.

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